In Braunschweig wurde mit dem Anbringen von Plakaten an die am 9. Januar 2013 in Paris durch einen Agenten es türkischen Geheimdienstes MIT und Anhänger der Grauen Wölfe ermordeten Sakine Cansız (Sara), Fidan Doğan (Rojbîn) und Leyla Şaylemez (Ronahî) erinnert. Der verhaftete Attentäter wurde später tot in seiner Zelle aufgefunden, seine Todesumstände wurden nie vollständig aufgeklärt. Nach wie vor kann der türkische Geheimdienst auf europäischem Boden weitestgehend ungestört und ohne Konsequenzen für die Beziehungen zum NATO-Partner Türkei agieren.
Ohne Angst vor aktiver Strafverfolgung werden von der faschistischen AKP-MHP-Regierung unter Erdogan geflohene Kurd*innen und türkische Oppositionelle ausspioniert, verfolgt, eingeschüchtert, bedroht, verschleppt oder ermordet. Der deutsche Staat sieht hierbei nicht nur weg, sondern hilft sogar aktiv mit. Mit dem Kriminalsieren der kurdischen Befreiungsbewegung durch das Verbot der PKK und den damit einhergehenden Möglichkeiten der Repressionsorgane und der Diffamierung in der Öffentlichkeit wird letztlich auch hier jede Parteinahme für eine demokratische Lösung des Konflikts unter „Terrorverdacht“ gestellt. Auch die aktive Verfolgung anderer oppositioneller Kräfte in der BRD, um sie der Türkei auszuliefern, zeigt, dass Erdogan viele Helfer hat.
Bestehende Diskussionen um ein Verbot der Grauen Wölfe oder „Warnungen“ vor deren Einfluss sind dementsprechend symbolischer und zahnloser Aktionismus ohne jede Konsequenz und finden vor dem Hintergrund innerimperialistischer Konkurrenzkämpfe statt- sie sind kein Ausdruck von Solidarität mit den demokratischen, feministischen und auf eine friedliche Lösung ausgerichteten Kräften in der Türkei und in Kurdistan. Dafür sind sie zu zaghaft, zu spät und in ihrer Umsetzung zu unentschlossen. Auch sind „Warnungen“ durch die Regierung vor dem Einfluß der Grauen Wölfe auf die Parteien in der BRD nur ein schlechter Witz: es war maßgeblich Franz-Josef Strauß (CSU) der mit dem Gründer des politischen Arms der Grauen Wölfe, der MHP, Aslan Türkes verkehrte und dabei half, sie zu etablieren. Heute finden sich zahlreiche Vertreter dieser türkisch-faschistischen Terrorstruktur in der Union wieder und so verwundert es auch nicht, wenn die Grauen Wölfe durch Politiker:innen der Union eher verharmlost als skandalisiert werden. Als eingefleischte Rassist:innen, Frauenfeinde, Antikommunist:innen, Demokratiefeinde wächst da auch nur zusammen, was zusammengehört.
Wo die deutsche Politik dann tatsächlich Zähne zeigt, statt es nur bei irrelevanten „Warnungen“ zu belassen, zeigt dann auch ihren wahren Charakter:
So soll die Kommunistin Banu Büyükavcıin in die Türkei abgeschoben werden- obwohl ihr hier in der BRD keinerlei Straftaten vorgeworfen werden. Sie soll für „Straftaten“, deren „Beweise“ durch die Staatsanwaltschaft in der Türkei erbracht wurden, einem faschistischen und kriegführenden Folterregime ausgeliefert werden. Auch die TKP-ML, der sie angehört, ist hier nicht verboten aber wird in der Trükei als „terroristisch“ verfolgt- eine Unterstellung, die jede:n trifft, der Erdogans Politik auch nur kritisiert. In diesem Zusammenhang sei auch an die Kampagne „100 Reasons“ erinnert, die sich zum Ziel gesetzt hat, durch eine Petition die offizielle Verurteilung und Ächtung Erdogans frauenfeindlicher, feminizidaler Politik zu erreichen.
Der folgende Text zu dem Attentat von Paris stammt von der Nachrichtenseite ANF und stellen eine auszugsweise Dokumentation aus einer Erklärung der PKK dar:
PKK: Schüsse in Paris zielten auf die freie Menschheit
Das Exekutivkomitee der PKK veröffentlicht zum 8. Jahrestag der Morde an den drei kurdischen Revolutionärinnen in Paris eine Erklärung und kündigt an, den Widerstand im Rahmen der Kampagne „Zeit für Freiheit“ überall auszuweiten.
Am 9. Januar 2013 wurde das PKK-Gründungsmitglied Sakine Cansız (Sara), die Vertreterin des Kurdistan Nationalkongresses in Paris, Fidan Doğan (Rojbîn), und Leyla Şaylemez (Ronahî) aus der kurdischen Jugendbewegung durch den türkischen Geheimdienst MIT in Paris ermordet. Anlässlich des bevorstehenden Jahrestags der Morde gibt das Exekutivkomitee der PKK eine Erklärung ab. In der Erklärung heißt es: „Am 9. Januar 2013 wurden Kugeln auf die in den Personen unserer Weggefährtinnen Sara, Rojbîn und Ronahî verkörperte Freiheit der Frau abgefeuert. So sollte die Frauenfreiheitsbewegung aufgehalten und die patriarchale Mentalität und Politik perpetuiert werden.“ Die PKK beschreibt die Morde von Paris als „eine der grausamsten Attacken des 21. Jahrhunderts“ und erinnert an die ermordeten Revolutionärinnen.
„Die Pariser Morde sind AKP-Morde“
Weiter schreibt das Komitee: „Wie bekannt ist, handelt es sich bei den Morden vom 9. Januar um Morde durch die AKP. Nur 13 Monate zuvor hatte die AKP ein Massaker, das Massaker von Roboskî, begangen. Die Entscheidung für die Morde von Paris wurde in der AKP-Regierung unter Vorsitz von Tayyip Erdoğan gefällt, vom türkischen Geheimdienst unter Führung von Erdoğans Mann für schmutzigen Angelegenheiten, Hakan Fidan, durch den MIT geplant und umgesetzt. Als Killer wurde der MIT-Agent Ömer Güney eingesetzt. Er hatte versucht, sich selbst als ‚revolutionär‘ darzustellen und so unsere Freiheitsbewegung zu infiltrieren. Güney erschoss die drei kurdischen Revolutionärinnen mitten in Paris. Die Erklärungen nach der Ergreifung von Güney durch die AKP-Führung, Tayyip Erdoğan, Hüseyin Çelik und M. Ali Şahin stellen de facto ein Geständnis ihrer Entscheidung für das Massaker dar.
Obwohl all dies von der französischen Staatsanwaltschaft ans Licht gebracht worden ist und in der Anklageschrift steht, wurde das Verfahren fallengelassen, nachdem Güney 20 Tage vor Beginn des Prozesses verstorben war. Die französische Justiz verlangte keine Rechenschaft von der mörderischen Erdoğan-Regierung, und der Gerechtigkeit wurde nicht genüge getan. Die französische Justiz machte sich so eigentlich selbst zur Komplizin der Täter. Die Frage, ob Ömer Güney gestorben ist oder ermordet wurde oder unter der Behauptung, er sei gestorben, an einen anderen Ort gebracht worden ist, wurde von der Justiz ebenfalls nicht aufgeklärt. Dies wirft große Fragezeichen auf.
„Straflosigkeit führt zur Verstetigung der Morde“
So sieht die juristische Lage nun im neunten Jahr nach den Morden aus. Da das Massaker nicht verfolgt und die Täter nicht bestraft wurden, gehen die Diskussionen darüber weiter. An jedem Jahrestag, ja eigentlich jeden Tag, passiert es daher von neuem. Jeden Tag werden so wieder Kugeln auf das kurdische Volk, kurdische Frauen und die demokratische Menschheit abgeschossen. In der Türkei herrscht ein völkermörderisches Kolonialregime. Diese Situation dauert an.
„Sara beteiligte sich in jungen Jahren am Kampf und war in allen Bereichen aktiv“
Unsere ermordete Genossin Sara kam in Dersim zur Welt: Einer Region, die vom türkischen Genozid von 1937/38 geprägt ist. In jungen Jahren lernte sie Abdullah Öcalan kennen und schloss sich dem Freiheitskampf an. Sie war eine revolutionäre und patriotische kurdische Frau. Nach dem Militärputsch vom 12. September 1980 kämpfte sie im von Mazlum, Hayri und Kemal angeführten Widerstand im Kerker von Diyarbakır. Sie war eine der Gründerinnen der PKK und Mitglied des Zentralkomitees. Sie war eine der Anführerinnen und Organisatorinnen der kurdischen Frauenfreiheitsbewegung. Sie kämpfte in Botan und Behdînan und führte ihre Aufgaben in der Freiheitsbewegung und im Frauenfreiheitskampf immer auf höchstem Niveau aus. Sie kämpfte ideologisch, politisch, organisatorisch und militärisch und erreichte es, eine vollkommene Revolutionärin und apoistische Militante zu werden.
Auf den Spuren von Sara schlossen sich auch Rojbîn und Ronahî aus Europa heraus dem Kampf an und wurden zu starken revolutionären Militanten. Mit ihrem Erfolg in allen Bereichen wurden sie zu führenden Militanten der kurdischen Jugend und der Frauen.
Am 9. Januar wurde die freie Menschheit von Kugeln getroffen
Die Kugeln von Paris richteten sich eigentlich gegen Rêber Apo, das kurdische Volk und seine Freiheitsbewegung. Diese Kugeln richtete sich im Grunde gegen die demokratische Lösung der kurdischen Frage. Am 9. Januar 2013 wurden Kugeln auf die in den Personen unserer Weggefährtinnen Sara, Rojbîn und Ronahî verkörperte Freiheit der Frau abgefeuert. So sollte die Frauenfreiheitsbewegung aufgehalten und die patriarchale Mentalität und Politik perpetuiert werden. Am 9. Januar wurde die freie Menschheit und die Geschwisterlichkeit der Völker von Kugeln getroffen
Wir als Freiheitsbewegung Kurdistans, als kurdisches Volk, als Frauen und als revolutionär-demokratische Kräfte haben in den vergangenen acht Jahren einen gewaltigen Kampf gegen die Mentalität und Politik, die hinter den Morden von Paris steht, geführt und haben die faschistischen Mörder in wichtigem Umfang zur Rechenschaft gezogen. Gegen das Massaker von Paris haben sich alle Frauen, die um Freiheit kämpfen, alle revolutionär-demokratischen Kräfte auf der Welt vereint. Sara, Rojbîn und Ronahî wurden zu weltweit bekannten Symbolen des Freiheitskampfes Kurdistans und der Frauenrevolution. Auf diese Weise wurde die faschistische AKP/MHP-Diktatur und der türkische Staat der ganzen Welt vorgeführt.
Nun im neunten Jahr werden wir den Kampf gegen das Massaker von Paris mit der Widerstandsoffensive ‚Zeit für Freiheit‘ vereinen und in allen Teilen Kurdistans, dem Mittleren Osten und der Welt noch weiter stärken. Wir werden die Isolation auf Imrali zerschlagen, den AKP/MHP-Faschismus niederreißen, überall gegen die türkische Besatzung Widerstand leisten und Rechenschaft von den Tätern von Paris verlangen. Wir werden Sara, Rojbîn und Ronahî in der Freiheit von Öcalan, in einem freien Kurdistan, einer demokratischen Türkei und einem demokratischen Mittleren Osten weiterleben lassen. Wir werden als Bewegung, Volk und Genoss*innen unseren Kampf auf der apoistischen Linie und der Spur unserer mutigen Gefallenen noch stärker führen und gewinnen.
In diesem Sinne rufen wir insbesondere die Frauen und die Jugend, unsere gesamte patriotische Bevölkerung und unsere revolutionär-demokratischen Freund*innen auf, noch entschlossener zum achten Jahrestag des Massakers von Paris zu protestieren, überall Aktionen durchzuführen und sich in aller Entschlossenheit an der Kampagne ‚Zeit für Freiheit‘ zu beteiligen.“