In Braunschweig beteiligten sich am 1. Mai über 500 Menschen an der traditionellen Kundgebung und Demonstration des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB). Im Anschluss gab es entlang des Ringgleises Infostände. Auf der Demonstration hielten wir noch einen Redebeitrag, der hier nochmal in Gänze zu lesen ist.
„Liebe Nachbar:innen, Kolleg:innen, Freund:innen und Genoss*innen,
ich spreche hier für die Freund:innen der kurdischen Freiheitsbewegung.
Der erste Mai wird international als Kampftag der Arbeiter*innenklasse begangen.
Im Mittelpunkt stehen die Bedingungen, unter denen wir in der kapitalistischen Welt arbeiten und leben und das wir das nicht so akzeptieren müssen, wie wir es vorgesetzt kriegen.
Die zerstörerische Ausbeutung von Menschen und Natur um des Profits Willen und die damit einhergehenden gesellschaftlichen Verwerfungen, machen das Leben für immer mehr Menschen auf diesem Planeten nahezu unerträglich.
Millionen auf der Welt sind nicht gewillt, dies so hinzunehmen.
In den vergangenen Monaten waren Millionen Menschen in der Welt und auch hier in Braunschweig auf den Straßen gegen
die kapitalistische Klimazerstörung,
den rassistischen Terror durch Polizei und Nazis,
Antifeminismus und Feminizide,
gegen Rüstungsexporte und Kriege.
Die Kriegsgefahr wächst täglich durch die nicht enden wollende Expansion des terroristischen Kriegsbündnisses NATO und den dazugehörigen Dauerprovokationen und Drohungen gegen andere imperialistische Konkurrenzmächte wie Russland oder China.
Wieder werden diese Drohungen mit der selektiven Instrumentalisierung von Menschenrechten untermauert, um hier bei Medien und Gesellschaft Wohlwollen zumindest aber Stillhalten zum Kriegskurs zu erreichen.
Gleichzeitig erfahren wir aus den Medien nichts über die fortgesetzten Kriegshandlungen der faschistischen AKP-MHP-Regierung des NATO-Staates Türkei gegen die kurdischen Gebiete.
Am Samstag, den 24. April, begann die Türkei eine weiter Invasion gegen die u.a. auf irakischem Territorium liegenden Teile Kurdistans.
Hierbei wird sie von Kollaborateuren der kurdischen KDP unter Barzani unterstützt, die fortwährend dem türkischen Geheimdienst mit Informationen helfen und ihre Autonomieregion im Nordirak dem türkischen Militär als Aufmarschgebiet anbieten.
Sowohl die Regierung der USA wie auch der BRD haben im Vorfeld ihr Wohlwollen zumindest aber ihr Stillhalten zu diesem Angriff signalisiert.
Der jetzige Angriff ist Bestandteil einer seit 2014 laufenden Strategie, die revolutionäre kurdische Bewegung zu zerschlagen und einzuhegen und das Gebiet dauerhaft zu annektieren.
Erst im Februar konnte die Gerila einen ähnlichen Versuch zurückschlagen.
Der nun laufende Angriff wird als entscheidend verstanden.
Er ist sowohl entscheidend für das Fortbestehen oder Scheitern der bröckelnden AKP-MHP-Allianz und somit für die Herrschaft Erdogans.
Erdogan ist auf einen militärischen Erfolg als letzte Chance angewiesen, um so den Unmut über die massiven innenpolitischen Probleme bis hin zum Hungern in der Bevölkerung unter dem Kriegstaumel zumindest bis zur Wahl zum Verstummen zu bringen.
Auch das drohende Verbot der demokratischen Partei HDP ist Bestandteil dieser Kriegspolitik.
Nicht minder entscheidend ist der Ausgang des jetzigen Angriffs für die revolutionäre Bewegung und die kurdische Bevölkerung.
Sollte die Region so, wie es der neoosmanische Expansionismus vorsieht, dauerhaft besetzt und annektiert werden, wäre es ein schwerer Rückschlag für die feministischen und demokratischen Errungenschaften der Bewegung.
Es ist kein abstrakter Kampf, der sich weit weg abspielt.
Es geht konkret um die gleichen Dinge, die wir uns selbst hier in den kapitalistischen Zentren auf Fahnen, Transparente und Flugblätter schreiben.
Es geht um das Ziel einer demokratischen, feministischen und ökologischen Gesellschaft.
Cemil Bayik hat es als Co-Vorsitzender der Gemeinschaft der Gesellschaften Kurdistans auf den Punkt gebracht:
Wir verteidigen den demokratischen Sozialismus!
Auf der anderen Seite stehen dort wie hier jene, die mehr Ausbeutung, mehr Profit und mehr Macht wollen und hierfür zu jedem Verbrechen bis hin zu Vergewaltigung, Folter, Vertreibung und Krieg bereit sind.
Wenngleich die übrigen NATO-Staaten über das Gebaren Ankaras in der Region nicht wirklich glücklich sind, so stehen sie einem Krieg gegen die kurdische Bewegung durchaus wohlwollend gegenüber.
Ein Erfolg der Bewegung und des von ihr entwickelten Demokratischen Konföderalismus würde eine Machtverschiebung in der Region bedeuten, die gleichzeitig auf eine Schwächung der NATO, der geostrategischen Bedeutung der Türkei als Brückenkopf gegen Russland und im vorderasiatischen Raum bedeuten würde.
Die inspirierende und motivierende Wirkung auf andere gesellschaftliche Gruppen in der Region und darüber hinaus ist für die imperialistischen Mächte ebenso eine Schreckensvorstellung, die mit allen Mitteln zu verhindern ist.
Bisher konnte das türkische Militär bei aller technischen Überlegenheit als zweitgrößte NATO-Armee keine Geländegewinne vorweisen, sie werden nahezu überall zurückgeschlagen und lassen Verwundete und Material zurück.
Die revolutionäre kurdische Bewegung und ihre Gerila ist bereit, auch den jetzt laufenden Angriff abzuwehren.
Die Erfolge im Kampf liegen nicht zuletzt auch darin, dass es klar verstanden wird, dass dieser Krieg nicht allein militärisch entschieden wird.
Ihm Voraus geht die Verankerung der Idee von Demokratie und Frauenbefreiung in den Köpfen und Herzen der Menschen- nicht allein in Kurdistan, sondern in der ganzen Welt.
Unsere weltweiten Proteste zur Unterstützung der Verteidiger*innen Kobanes gegen den durch den NATO-Staat Türkei aufgebauten Islamischen Staat haben 2014 dazu beigetragen, das Anliegen der kurdischen Bewegung in Rojava in der ganzen Welt verständlich zu machen.
Damals wie heute, ob nun Rojava oder die Medya-Verteidigungsgebiete:
es sind die gleichen Ziele einer demokratischen, feministischen und ökologischen Gesellschaft, die angegriffen werden und deshalb müssen wir uns an die Seite derer stellen, die sich hier verteidigen!
Der Krieg gegen die kurdische Bewegung und Bevölkerung beginnt auch hier, wenn hier ansässige Unternehmen wie Rheinmetall und andere, mit der Aufrüstung des türkischen Faschismus Profite machen.
Der türkische Staatsterrorismus findet in der deutschen Innenpolitik seine Fortsetzung.
Wenn hier Oppositionelle Politiker*innen der HDP oder Kurd*innen in die Türkei abgeschoben werden sollen, dann ist das Erdogans langer Arm, der weit über die Türkei hinaus reicht.
Gleichzeitig wird das Wirken von faschistischen Gruppen wie den GrauenWölfen in der BRD weitestgehend hingenommen.
Ihre Verstrickungen mit der organisierten Kriminalität oder auch Terrorstrukturen sowie ihre Einsickerungs- und Unterwanderungsaktivitäten in Parteien, Vereine und Gewerkschaften sind zwar hin und wieder Thema in den Medien- nur Konsequenzen daraus erfolgen nicht.
Es liegt einzig und allein an uns, die wir hier um die gleiche Perspektive einer von Profitlogik und Konkurrenz befreite, feministische, demokratische und ökologische Gesellschaft kämpfen,
den Druck zu erzeugen,
der die Medien zwingt, zu berichten statt nur die Erklärungen des Auswärtigen Amtes oder der türkischen Regierung abzuschreiben.
Es liegt ebenso an uns, uns und die Gesellschaft zu mobilisieren, um so unsere Regierungen zu zwingen, Rüstungsexporte und andere Hilfen für den türkischen Faschismus zu beenden.
Daher sind alle Antifaschist*innen, Kriegs- und Rüstungsgegner*innen, Feminist*innen, Demokrat*innen, Sozialist*innen, Kommunist*innen, Anarchist*innen und Internationalist*innen dazu aufgerufen, sich über diesen Konflikt verstärkt zu informieren, eine Haltung zu entwickeln und in Aktion zu treten.
In diesem Sinne:
Es lebe der demokratische Sozialismus, es lebe der demokratische Konföderalismus!
Freiheit für Abullah Öcalan und alle politischen Gefangenen!
Weg mit dem Verbot der PKK!
Biji Berxwedana Gerila!“
[Ursprüngliche Nachricht vom 29.04.2021]
Der 1. Mai wurde 1890 durch Beschluss der zweiten sozialistischen Internationale zum „Protest- und Gedenktag“. Ihm voraus gingen die Auseinandersetzungen um den 8-Std.-Tag in Chicago 1886. Die hier stattfindenden Streikaktionen gingen wiederum auf Massendemonstrationen am 1. Mai 1856 in Australien zurück, die bereits damals den 8-Std.-Tag zum Ziel hatten.
Seitdem steht der 1. Mai sowohl für Reformist*innen wie auch für Revolutionär*innen für den Widerstand gegen das kapitalistische System und seine Zumutungen.
Überall auf der Welt gehen Millionen auf die Straße und bekräftigen ihren Kampf für eine Welt ohne Ausbeutung und Unterdrückung, Rassismus, Sexismus, Faschismus, Klimazerstörung und Krieg. Der Verschlechterung und Zerstörung unserer Arbeits- und Lebensbedingungen werden Aufrufe nach Demokratie, Umverteilung, Solidarität und Revolution entgegengehalten.
Auch in den kurdischen Gebieten wird zum 1. Mai als internationalem Kampftag der Ausgebeuteten und Unterdrückten aufgerufen. Im Kampf gegen den türkischen Faschismus und seinen genozidalen Vernichtungskrieg gegen die kurdische Bewegung und ihre Errungenschaften stehen die kurdische Bevölkerung und ihre Verteidigungsstrukturen Schulter an Schulter mit den kämpfenden Klassen und unterdrückten Bevölkerungen in der Welt. Von den mexikanischen Urwäldern Chiapas, über die revoltierende afroamerikanische Bevölkerung in den USA zu den Aufständen der GelbWesten-Bewegung in Frankreich bis in die Medya-Verteidigungsgebiete und darüber hinaus ist es ein gemeinsamer Kampf gegen das kapitalistische System, seine Profiteur*innen, Knechte und Propagandist*innen. Dieser Kampf findet in den unterschiedlichen Regionen der Welt unter unterschiedlichen Vorzeichen und in unterschiedlicher Intensität statt- dennoch wächst international unser Bewußtsein darüber, dass unsere Kämpfe die gleiche Ursache haben und auf ein gleiches Ziel zusteuern müssen.
Am 1. Mai wird es in Braunschweig um 10:30 Uhr auf dem Burgplatz die traditionelle Demonstration geben. Diesmal aber nicht mit dem Ziel des Bürgerparks, sondern in Richtung Johannes-Selenka-Platz. Diese Route soll als gewerkschaftliches Signal verstanden werden, dass die zunehmende Raumnahme durch Faschist*innen, hptsl. der Nazipartei „Die Rechte“, im westlichen Ringgebiet auch vom DGB nicht ignoriert wird. Schließlich ist es das Programm aller faschistischen Organisationen (nicht nur damals und nicht nur hier in Deutschland), die organisierte Arbeiter*innenbewegung und ihre Organe zu zerschlagen und an ihre Stelle das ewige Duckmäustertum gegenüber den Unternehmer*innen als „Alternative“ zu installieren. So kritikwürdig und reformistisch die Gewerkschaften auch sein mögen: das, was der Faschismus den Lohnabhängigen zu bieten hat, macht für uns nichts besser aber alles schlechter.
Wir rufen daher ebenso dazu auf, am 1. Mai in Braunschweig an der Demonstration teilzunehmen. Im Anschluss finden Infostände entlang des Rinnggleises statt. Auch wir werden mit einem gut bestückten Infostand vertreten sein und freuen uns auf angeregte Diskussionen mit euch, unseren Nachbar*innen, Kolleg*innen, Freund*innen, Mitstreiter*innen und Genoss*innen!