Der folgende Text ist eine Kritik an der Ausrichtung des „Gedenkens“ in Braunschweig u.a. durch den „Runden Tisch gegen Rassismus, Antisemitismus und Diskriminierung“ zu dem rassistischen Terroranschlag von Hanau im Jahr 2020. Das sogenannte „Gedenken“ findet unter Beteiligung von islamistischen, rassistischen, kriegsverherrlichenden und frauenverachtenden Gruppierungen statt.
Der Anschlag in Hanau am 19.02.2020, bei dem Gökhan Gültekin, Sedat Gürbüz, Said Nesar Hashemi, Mercedes Kierpacz, Hamza Kurtović, Vili Viorel Păun, Fatih Saraçoğlu, Ferhat Unvar und Kaloyan Velkov aus rassistischen Motiven ermordet wurden, hat uns als Freund*innen der kurdischen Freiheitsbewegung besonders getroffen. Auch 2 Jahre nach dem Anschlag sind wir traurig und wütend. Zum Jahrestag und an vielen Tagen dazwischen, sind unsere Gedanken immer wieder bei den Opfern, ihren Angehörigen und Freund*innen.
Dem rechtsterroristischen Anschlag fielen 9 Menschen zum Opfer. Mehrere der Opfer waren kurdischer Herkunft. Viele der Angehörigen hatten sich nach dem Anschlag im kurdischen Kulturzentrum in Hanau versammelt, um Schmerz und Kummer zu teilen.
Ihnen würdig zu gedenken, heißt zu lernen, sich mit den Opfern des rassistischen Terrors auseinanderzusetzen und den Forderungen und Wünschen der Angehörigen und Hinterbliebenen zuzuhören.
Umso erschreckender ist es, dass viele Gruppierungen und Teile der Gesellschaft dieses Leid für sich versuchen zu instrumentalisieren. Bereits direkt nach dem Anschlag beteiligten sich zahlreiche Anhänger*innen Erdogans bzw. der gegen Kurdistan kriegführenden AKP sowie der Grauen Wölfe und anderer türkischer Nationalist*innen an den Demonstrationen. Sie negierten die Tatsache, dass viele der Opfer Kurd*innen waren. Die Angehörigen versuchten dem entgegenzutreten, scheiterten aber an dem falsch verstandenen Multikulturalismus der bürgerlichen Zivilgesellschaft.
Die Stadt Braunschweig hat einen so genannten „Runden Tisch gegen Rassismus, Antisemitismus und Diskriminierung“ initiiert, der sich selbst zum Ziel setzt, „Braunschweig noch stärker und geschlossener zu positionieren“, nämlich „für Toleranz, Freiheit und die Würde des Menschen“, wie es in der Braunschweiger Zeitung vom 16. Juli 2021 heißt.
Dieser „Runde Tisch“ soll nun am 19.02.2022 ein Gedenken an die Opfer des rassistischen Anschlags ausrichten. Wir halten es für mehr als angebracht genauer hinzusehen, wer denn eigentlich hieran beteiligt ist.
Da wären neben den Stadtbezirksräten und Vertreter*innen aus den Bereichen von Wohlfahrt, Kirche und Schule auch die Polizei und der sogenannte Rat der Muslime.
Zuallererst: Mit der Polizei, die beinahe täglich einen sogenannten „Einzelfall“ bzgl. ihrer Verstrickungen in Nazinetzwerke zu vermelden hat und Menschen aufgrund ihrer Hautfarbe auf der Straße kontrolliert, gedenkt man nicht.
Man gedenkt vor allem nicht mit ihr, wenn es doch am Abend der Anschläge von Hanau eben diese Polizei es war, die die verzweifelten Anrufe des Vili Viorel Păun nicht entgegen nahm und somit verantwortlich dafür sind, dass auch Vili Viorel Păun ermordet werden konnte und dass der rassistische Terrorist weiter morden konnte.
Wir fragen uns, wem oder was will die Polizei gedenken?
Ihrer eigenen Unfähigkeit?
Ihrer teilweise offenen Sympathie für und Kollaboration mit Nazis und anderen faschistischen Gruppen?
Wir wollen aber auch einen Blick auf den sogenannten „Rat der Muslime“ werfen. Und der ist, nett formuliert, interessant. Die Mitglieder dieses Rates der Muslime, dem Ansprechpartner der Stadt und der Polizei Braunschweig zu Themen wie Rechtsextremismus und rassistischem Terror, sind (1):
DITIB Brausnchweig,
IGBD (Islamische Bosnische Gemeinde Braunschweig),
IGMG (Islamische Gemeinde Milli Görüs),
DMK (Deutschsprachiger Muslimkreis Braunschweig)
und VIKZ (Verband der islamischen Kulturvereine e.V Braunschweig).
DITIB-Vereine sind Vereine, die direkt und indirekt von der türkischen Religionsbehörde Diyanet finanziert werden. Ihre Imame werden in der Türkei ausgebildet und ins Ausland abgesandt. DITIB-Vereine machten vor allem damit von sich Reden, dass in Ihnen für den Krieg in Nord-Ostsyrien und Rojava gebetet wurde und Theaterstücke mit Kindern aufgeführt wurden, die ebenso den Krieg verherrlichten. Beim Krieg des faschistischen türkischen Regimes gegen die SDF und die Kurd*innen wurden und werden bei Drohnenangriffen der Türkei viele Zivilist*innen getötet. Ganze Städte und Provinzen wurden entvölkert. So wurden z.B. die Kurd*innen und Yezid*innen in Afrin enteignet und von dort vertrieben. Durch den türkischen Staat werden hier islamistische Söldner, die sich nicht unerheblich aus ehemaligen IS-Kämpfern zusammensetzen, angesiedelt. Die Angriffe der Türkei auf Kurd*innen und vor allem auf Yezid*innen, die bis heute andauern, sind eine Fortführung des vom sogenannten Islamischen Staat begonnen Völkermordes. Für diesen Krieg, für diese Vertreibung und für diesen Völkermord wurde und wird in DITIB-Moscheen gebetet.(2)(3)
In Milli-Görüs-Vereinen beten vor allem all jene Türk*innen, die das Ziel verfolgen, aus der Türkei einen islamistischen Staat zu formen. Viele Jahre wurden die Milli-Görüs-Vereine vom Bundesamt für Verfassungsschutz und der Landesämter beobachtet. Sie ordnen die islamistische Einstellung dieser Vereine als sogenannten „legalisierten Islamismus“ ein. Sie sind im Kern verfassungsfeindlich, aber lehnen Gewalt angeblich ab, heißt es in einem der Berichte. Erdogan selbst hat seine ideologischen Wurzeln in der Milli-Görüs-Bewegung. (4)
Der VIKZ hat laut Beobachtern „sektenähnliche“ Strukturen, denn VIKZ-Mitglieder agierten nur unter sich, sie tragen ihre Lehren nicht nach außen. Der VIKZ wird bis heute geprägt von ihrem geistlichen Führer, dem 1959 verstorbenen Prediger Süleyman Hilmi Tunahan, welcher sich selbst als Nachkommen Mohammeds sah. Ein Blick in die Geschichte dieses Vereins lässt erkennen, was hinter der Fassade steckt, denn 1967 gründete der Europa-Repräsentant der Muslimbrüder, Yusuf Zeynel Abidin, auf Geheiß der Mutterorganisation der Süleyman-Anhänger den VIKZ-Vorläufer „Türkische Union“, aus der 1973 das Islamische Kultur-Zentrum Köln (IKZ) hervorging. Süleymans Leute fielen schon damals durch heftigste antidemokratische, antisemitische, antichristliche und antideutsche Attacken auf. Zu Veranstaltungen beider Vereine sowie dem VIKZ sind regelmäßig Redner und Gäste aus der türkischen Botschaft und den Generalkonsulaten zugegen. So war der ehemalige AKP-Abgeordnete Mustafa Yeneroglu auch Generalsekräter der Milli-Görüs. (5)(6)
Dann wäre da noch der Deutschsprachige Muslimkreis, DMK. Der DMK ist ein der Ideologie der Muslimbrüder aus Saudi Arabien nahestehender Verein. Er ist auf Bundesebene der Deutschen Muslimischen Gemeinschaft e.V., DMG, zuzuordnen. Die Strukturen des DMG werden seit Jahren von staatlichen Strukturen überwacht. Sie fallen immer wieder durch antisemitische, antidemokratische, frauenfeindliche, reaktionäre und fundamentalistische Propaganda und Aktivitäten auf. Ihr erklärtes Zeil ist es, die Sharia und einen islamischen Staat einzuführen. Tatsächlich hat sich gerade letzte Woche der Zentralrat der Muslime auf Druck der Zivilgesellschaft vom DMG aufgrund der Vorwürfe des Antisemitismus distanziert und den Dachverband sogar aus dem Zentralrat der Muslime ausgeschlossen.
Den Platz der DMG soll laut Insidern die Deutschsprachige Muslimische Gemeinde einnehmen. Die Deutschsprachige Muslimische Gemeinde ist eine salafistische Organisation und Heimat der recht bekannten deutschen Konvertiten Pierre Vogel und Sven Lau. Laut Sicherheitsbehörden sollen sie auch Kämpfer für den IS angeworben haben. (7)(8)(9)(10)(11)(12)
Wie kann es sein, dass die Ansprechpartner der Stadt Braunschweig für Themen wie Toleranz, Frieden und die Würde des Menschen ausgerechnet die Vereine sind, die exakt das Gegenteil in ihren Moscheen und Vereinen lehren?
Ein Gedenken mit Vereinen, welche fundamentalistische, antisemitische, frauenverachtende, kriegsverherrlichende, rassistische, und andere menschenverachtende Positionen vertreten, ist ein Schlag ins Gesicht der Ermordeten, ihrer Angehörigen und Freund*innen.
Es tritt ihre fortwährenden Bemühungen, sich nicht durch den falsch verstandenen Multikulturalismus der bürgerlichen Zivilgesellschaft instrumentalisieren zu lassen, mit Füßen.
Wir trauern um die aus rassistischen Motiven ermordeten Gökhan Gültekin, Sedat Gürbüz, Said Nesar Hashemi, Mercedes Kierpacz, Hamza Kurtović, Vili Viorel Păun, Fatih Saraçoğlu, Ferhat Unvar, Kaloyan Velkov sowie Gabriele R., und in ihrem Namen sind wir wütend. Wir sind wütend, weil politische Verantwortliche sich in diesem Land faschistischen Netzwerken nicht entschieden entgegenstellen, sie ignorieren, verharmlosen oder sogar initiieren.
NSU, Halle, Walter Lübcke, Hanau. Jede*r weiß sofort was gemeint ist und doch bleibt die Polizei viel zu oft auf dem rechten Auge blind oder ist sogar mittendrin. Nur 14 Tage vor dem Anschlag hat sich ein FDP-Politiker mit den Stimmen der AfD zum Ministerpräsidenten wählen lassen und diese Wahl angenommen. Nach dem Anschlag? Die Hinterbliebenen werden als Gefährder behandelt, während dem Vater des rechtsextremen Terroristen Schutz geboten wird.
Ein Jahr nach dem Anschlag sollte es in Hanau eine große Demonstration geben, es war bundesweit mobilisiert worden. Den Toten zum Gedenken und der Politik zur Mahnung, dass wir Konsequenzen aus dem Rechtsterrorismus sehen wollen, dass Migrant*innen häufig nicht von der Polizei beschützt werden, sondern viel mehr beschuldigt. Die Demonstration, wie sie geplant war, wurde am Vorabend verboten, als Begründung wurde die Pandemie herangezogen. Die selbe Pandemie, in der große Teile des deutschen Bürgertums mit Zehntausenden, ohne Masken und ohne Eingreifen irgendwelcher Behörden, gegen ein vermeidliches Corona-Regime demonstrierten und es immer noch tun. Und so bleiben wir wütend und traurig, aber dennoch fest entschlossen zurück, um eine lückenlose Aufklärung zu fordern und die Ermordeten in Erinnerung aufleuchten zu lassen.
Ein antirassistisches und antifaschistisches Gedenken muss auf die Aufklärung der Hintergründe, das wiederholte Versagen der Polizei und die gesellschaftlichen Verhältnisse, aus denen der rassistische Terror erst hervorgeht, ins Zentrum der Auseinandersetzung stellen.
Ein würdevolles Gedenken an diesen rassistischen Terroranschlag muss den Hinterbliebenen zuhören und sie miteinbeziehen.
Quellen:
(1) http://rdm-bs.de/%C3%BCber-uns/
(2) https://www.spiegel.de/politik/deutschland/ditib-laesst-in-deutschland-fuer-sieg-der-tuerkei-in-syrien-beten-a-1189223-amp.html
(3) https://www.die-tagespost.de/politik/diyanet-laesst-moscheen-in-jesidischen-doerfern-errichten-art-218615
(4) https://taz.de/Islamismus-in-Deutschland/!5138898/
(5) https://www.stuttgarter-nachrichten.de/inhalt.islamverband-vikz-ilmihal-leitfaden-fuer-die-parallelwelt.6c6936fc-e16c-4682-aae3-c454d55f0737.html
(6) https://de.wikipedia.org/wiki/S%C3%BCleyman_Hilmi_Tunahan
(7) https://de.m.wikipedia.org/wiki/Deutsche_Muslimische_Gemeinschaft
(8) https://www.welt.de/politik/deutschland/plus236690963/Zentralrat-der-Muslime-Halbherzige-Distanzierung-von-Muslimbruedern.html
(9) https://www.welt.de/politik/deutschland/article200601850/Zentralrat-der-Muslime-Tuebinger-Islam-Professor-wegen-umstrittener-Konferenz-in-der-Kritik.html
(10) https://regionalheute.de/amp/verfassungsschutzbericht-braunschweig-ist-hot-spot-fuer-salafisten-1590586796/
(11) https://www.bpb.de/themen/infodienst/211610/die-salafistische-szene-in-deutschland/#node-content-title-10
(12) https://m.tagesspiegel.de/politik/buendnis-waere-ein-gau-salafisten-und-muslimbrueder-naehern-sich-gefaehrlich-an/24210006.html