Zwischen all dem Kriegsgeschrei Erdogans, der Komplizenschaft durch Schweigen, Geldspritzen und Waffenlieferungen durch die EU- und NATO-Staaten, der Verfolgung kurdischer und anderer fortschrittlicher Kräfte durch den sogenannten Rechtsstaat, gibt es auch einzelne Lichtblicke und Anlässe zum Jubeln. In den letzten Wochen konnten gleich mehrere Versuche der Klassenjustiz, Symbole des kurdischen Befreiungskampfes und der antifaschistischen Bewegung zu kriminalisieren, zurückgewiesen werden. Während verschiedene Staatsanwaltschaften sich verbissen darum bemühten, Fahnen und Graffitis bzw. deren Träger*innen zu verfolgen, sahen das die mit diesen Fällen befassten Gerichte nicht so und beendeten verschiedene Prozesse mit Freisprüchen.
Seit Jahren nun versuchte die Staatsanwaltschaft in Bayern einen Heval zu kriminalisieren, da er bei einer Demonstration eine Fahne der Frauenverteidigungseinheiten (YPJ) getragen haben soll. Sie baut in ihrer Anklage auf eine Ansage aus dem Innenministeriums, dass ein wildes Konstrukt herbeigebastelt hatte, um die Symbole der YPJ und YPG zu kriminalisieren. Weder sind die Organisationen noch ihre Symbole generell verboten- wenn aber nach Einschätzung des bewaffneten Arms des Kapitals (Polizei) bzw. der Staatsanwaltschaft diese Fahnen als Ersatz herhalten würden, weil man eigentlich viel lieber die Fahnen der als „terroristisch“ kriminalisierten PKK tragen, würde, was man aber nicht darf, eben weil sie verboten ist, dann ist auch das Tragen von YPJ- und YPG- Fahnen verboten. Besonders grotesk und den Charakter von Politik und Justiz offenbarend ist es, dass mit der Kriminalisierung dieser Symbole eben genau jene Kräfte denunziert werden, die den Hauptanteil bei der Zerschlagung des durch die Türkei aufgebauten Islamischen Staates haben und auch die größten Verluste dabei erlitten.
Grundlage für dieses Vorgehen ist dabei kein Gesetz, sondern lediglich ein „Einschätzung“ des Innenministeriums. Zahlreiche Haus-durchsuchungen, Strafbefehle und viele eingeleitete Prozesse, weil Menschen diese Fahnen trugen oder Bilder auf Twitter, Facebook, etc. teilten oder auch nur Presseartikel verlinkten, die entsprechend bebildert waren, fußen auf diesem Papier des Innenministeriums. Das nun getroffene Urteil sieht das etwas anders und dürfte nun dazu beitragen, dass die zahlreichen noch offenen Prozesse mit diesem Vorwurf nicht so ausgehen, wie es die Erdoganfans im Seehoferschen Innenministerium das gerne hätten.
Ebenso gescheitert ist die Kriminalisier-ung der Antifa Enternasyonal- Fahne. Hier stach besonders die Staatsaanwaltschaft in Lüneburg hervor die zwei Anläufe brauchte, in denen ihr beide Male durch das Gericht zweimal verdeutlichte, dass es ihr damit nicht folgen wird. Die Staatsanwaltschaft behauptete, dass das Logo dem der in der BRD verbotenen Gemeinschaft der Gesellschaften Kurdistans (KCK) nachempfunden sei. Auch hier schloss sich das Gericht nicht der Sichtweise der Staatsanwaltschaft an.
In Bielefeld versuchte die Staatsanwaltschaft seit einiger Zeit ein über 25 Jahre altes Graffiti an der Wand des autonomen Arbeiterjugendzentrums (AJZ) zu kriminalisieren bzw. darauf zu klagen, dass es entfernt wird. Das Bild entstand in Erinnerung an die Ermordung von Halim Dener durch die deutsche Polizei in Hannover 1994. Hier stört sich die Staatsanwaltschaft an die, recht deutliche aber nicht komplette, Darstellung des PKK- Symbols. Das Gericht verdeutlichte hingegen, dass auch der Kontext, in dem das Symbol verwendet wurde, jeweils zu berücksichtigen sei, was diese nicht getan habe. Mehr noch, kommentierte das Gericht das Vorgehen der Staatsanwaltschaft mit den Worten:
„Die hierzu gemachten Ausführungen der Staatsanwaltschaft sowie der Generalstaatsanwaltschaft lassen indes befürchten, dass hier in höchst bedenklicher Weise eine ‚Gesinnungsstrafbarkeit‘ erstrebt wird, die seit Geltung des Grundgesetzes in der Bundesrepublik Deutschland unzulässig ist.“
Eine äußerst bemerkenswerte Begründung für ein deutsches Gericht, scheint es die politische Bedeutung von juristischen Vorgängen nicht zu leugnen, sondern sogar in die Urteilsbegründung miteinfließen zu lassen- und dies zur Abwechslung mal nicht zu Lasten fortschrittlicher Kräfte.
Es gibt also durchaus mal Grund zum Jubeln. Getrübt werden diese kleinen Siege vor den Gerichten der Klassenjustiz aber nicht zuletzt dadurch, dass nach wie vor viele kurdische Genoss*innen in deutschen Knästen sitzen und die Kriminalisierung auf anderen Ebenen weiter ungehemmt voranschreitet.
Dem faschistischen NATO- Staat Türkei werden weder in seiner Expansionspolitik im syrischen Bürgerkrieg, im Lybienkonflikt, gegen Griechenland im Mittelmeer, auf Seiten Aserbeidschans gegen Armenien oder auf Seiten Pakistans gegen Indien im Kaschmirkonflikt irgendwelche Steine in den Weg gelegt, noch wird er für seine auf Vernichtung nach „tamilischem Vorbild“* gegen die revolutionäre kurdische Bewgung zielende Kriegspolitik zur Rechenschaft gezogen. Auch die täglichen Massenverhaftungen gegen Oppositionelle, organisierte Frauen, Aktivist*innen der Klimabewegung, Journalist*innen oder Anwält*innen finden hier nicht die Aufmerksamkeit und Bestürzung, wie es für die Repression gegen Demonstrationen in Belarus, dem Iran, China oder Russland gilt. Es ist nur allzu offensichtlich, dass die Empörung über Repression nach den außenpolitischen Interessen der NATO ausgerichtet ist.
Der nun seit Monaten unter Anleitung von Türkei und NATO durch die Kollaborateure des kurdischen PDK- Regimes von Barzani vorbereitete Angriff auf sämtliche Gebiete die unter Einfluss des revolutionären Teils der Befreiungsbewegung stehen, steht unmittelbar bevor. Auf Biegen und Brechen versuchen sie, einen Krieg gegen die revolutionäre Bewegung anzuzetteln, die zunehmend militärisch eingekreist wird. Die Verantwortlichen in der Türkei, BRD, Frankreich, der EU, den USA, Russland und der NATO ist an einer politischen Lösung des Konflikts offenbar nicht gelegen und schweigen weiter zu jedem Aspekt des verbrecherischen AKP-MHP- Regimes.
Wem es tatsächlich ernst ist, mit den Reden von „friedlichen“ Lösungen, muss anerkennen, dass das für diesen Konflikt nur bedeuten kann, die Verfolgung und Kriminalisierung der kurdischen Bewegung, ihrer Symbole und Repräsentant*innen zu beenden.
Das PKK- Verbot muss aufgehoben werden, die Freilassung von Öcalan muss auf die außenpolitische Tagesordnung und die Anerkennung von Öcalan und der PKK als gesellschaftliche Kräfte, die diesen Prozess anführen können, sind Voraussetzung, um einen Friedensprozess, der diesen Namen auch verdient, überhaupt (neu) beginnen zu können- alles andere ist Appeasement gegenüber dem türkischen Faschismus und seiner Mordpolitik.
*Die sozialistische Bewegung der Tamil*innn unter Führung der Liberation Tigers of Tamil Elam in Sri Lanka wurde nach mehreren jahrzehnten Bürgerkrieg die Befreiungsbewegung durch den rücksichtslosen Einsatz von Militär, Folter, Vergewaltigung und anderer Kriegsverbrechen im Jahr 2009 zerschlagen.