Im Jahr 1923 wurde durch die Rote Hilfe der 18. März zum Internationalen Tag der politischen Gefangenen erklärt. Dieser Tag bezieht sich auf die Pariser Commune, einer kurzen aber intensiven Phase revolutionärer Erhebung in Paris 1871 und in Folge ihrer Niederschlagung einhergehenden Repression der herrschenden Klasse gegen die Aufständischen.
An diesem Tag wird an all jene erinnert, die für ihr Eintreten für eine Welt ohne Ausbeutung und Unterdrückung in die Gefängnisse geworfen werden oder andere Repression erfahren müssen.
Unser Hauptaugenmerk liegt auf die Situation der politischen Gefangenen aus den Reihen der kurdischen Befreiungsbewgung und ihnen voran die von Abdullah Öcalan als Repräsentant eines nicht unerheblichen Teils der kurdischen Bevölkerung sowie der revolutionären Bewegung.
Abdullah Öcalan wurde nach einer längeren Odyssee 1999 durch die Zusammenarbeit verschiedener Staaten und ihrer Geheimdienste in die Türkei auf die Gefängnisinsel Imrali verschleppt. Seitdem unterliegt er den Bedingungen der Isolationshaft. Das bedeutet auch, dass weder Angehörige noch seine Anwält*innen (regelmäßig) Kontakt zu ihm haben. Entsprechende Gesuche werden immer wieder durch die türkischen Behörden abgelehnt.
Seit einigen Tagen wird aktuell in vorrangig türkischen Social-Media-Netzwerken das Gerücht gestreut, dass Öcalan verstorben sei. Der faschistische türkische Staat selbst schweigt hierzu und lässt die Gerüchteküche weiter brodeln. Was davon stimmt oder absoluter Blödsinn ist, lässt sich zur Zeit nicht feststellen. Das ist auch so gewollt, denn Desinformation und Unwissen sind Bestandteil der Kriegspolitik. In zahlreichen Städten kam und kommt es deshalb zu Protestaktionen, um öffentlichen Druck aufzubauen, damit sich die jeweiligen Regierungen an die Türkei wenden, seine Anwält*innen zu ihm können und ein Lebenszeichen aus Imrali zu bekommen. Auch unter Eindruck dieser neuesten Gerüchte hat sich an der Blockadehaltung des türkischen Staates nichts geändert. Zuletzt konnten nur massive Hungerstreikaktionen der revolutionären politischen Gefangenen den türkischen Staat 2019 dazu zwingen, Anwaltsbesuche zuzulassen.
Mittlerweile befinden sich wieder seit dem 27. November 2020 tausende politische Gefangene aus den Reihen der PKK und anderer revolutionärer Gruppen in den Knästen der Türkei in einem unbefristeten Hungerstreik. Um diesen am Laufen zu halten, übernehmen im Wechsel immer wieder andere Zusammenschlüsse der Gefangenen den Hungerstreik. Das erklärte Ziel ist es, die Isolation Öcalans zu beenden und somit die Grundlage für eine politische Lösung des Konflikts zu legen. Das Fortführen des Krieges ist einzig im Interesse der faschistischen und anderen reaktionären Kreise der Türkei und der NATO- nicht im Interesse der seit Jahrzehnten darunter leidenden kurdischen Bevölkerung und ihrer Organisationen.
Gleichzeitig zu den offenen Kriegshandlungen, die durch Erogans faschistisches AKP-MHP-Regime gegen Rojava, Qendîl, Mexmûr, Şengal, etc. im Wechsel forciert werden, um der Bewegung keine Ruhe zu lassen, wird auch die Repression im Innern der Türkei immer schärfer. Die Nachrichten über Gefängnisstrafen allein für kritische Äußerungen auf Social-Media-Kanälen reißen nicht ab. Die Gefängnisse sind voll von Journalist:innen, Menschenrechtsaktivist:innen, Umweltschützer:innen, Feminist:innen, Gewerkschafter:innen, Demokrat:innen, Anwält:innen, Antifaschist:innen, Sozialist:innen, Kommunist:innen, Anarchist:innen, usw. Um für all jene politischen Gefangenen, mehr Platz zur Verfügung zu haben, wurden bereits im Frühjahr 2020 tausende Kriminelle aus den Gefängnissen entlassen. Unter ihnen Mörder, Schläger, Vergewaltiger, Anhänger faschistischer Gruppen, etc. Von dieser Amnestie ausgenommen waren selbstverständlich die politischen Gefangenen.
Ausnahmslos jede Person, die sich ablehnend oder auch nur kritisch gegenüber dem Krieg oder anderen Teilen der Politik des Erdogan-Regimes äußert, wird unterschiedslos mit Verfahren wegen „Terrorismus“ überzogen. Täglich kommt es zu Hausdurchsuchungen, Verhaftungen und Prozessen, die das Leben von Menschen zerstören. Dass die „Beweise“, sofern überhaupt vorhanden, in der Regel gefälscht sind oder auf Aussagen, die unter Misshandlungen und Folter erzwungen wurden, basieren, wird international von Politik und Medien weitestgehend ignoriert. Mehr noch, sind es auch und gerade die deutsche Politik und Jusitz, die derartige „Beweise“ auch hier in der BRD als Grundlage für Verurteilungen benutzen, um hier gleichermaßen unerwünschte politische Personen zu kriminalisieren und, sofern möglich, in den Folterstaat Türkei abzuschieben. So erging bzw. ergeht es bspw. den hier im Jahr 2020 Anhänger:innen der TKP-ML, die einzig für Taten in der Türkei, an denen sie nicht beteiligt waren, vor Gericht standen und verurteilt wurden. Die vor einem deutschen gericht verhandelten „Beweise“ kamen einzig von der türkischen Staatsanwaltschaft.
Der aktuelle Höhepunkt der Repressionswelle ist der Versuch, die HDP zu verbieten. Diese Oppositionspartei, die sich ausnahmslos als einzige Partei gegen den Krieg, die neoosmanische Expansionspolitik und die autoritäre Ausformung des Staates stellt, ist Erdogan und seinen Anhänger:innen schon lange ein Dorn im Auge. Auch sie wird als „verlängerter Arm“ der PKK denunziert. Die HDP ist die einzige parlamentarische Stimme der kurdischen Bevölkerung in der Türkei. Sie ist ebenso die einzige Stimme, die sich für die Rechte der Frauen, von Homosexuellen, Transpersonen, von Arbeiter*innen und vielen anderen einsetzt, die unter der Politk des AKP-MHP-Regimes zu leiden haben. Auch schon vor dem Verbotsverfahren konnte die Partei dieser Aufgabe nur schwer nachkommen, war und ist sie nahezu täglich von Verhaftungen ihrer Mitglieder, Wähler:innen und Funktionär:innen betroffen. Die Partei konnte bei den Wahlen 2018 11,7% der Stimmen erhalten und stellt 56 der 600 Abgeordneten und ist die drittgrößte Fraktion in der türkischen Parteienlandschaft. Mit diesem Wahlsieg kostete sie damals die von Erdogan angestrebte absolute Mehrheit. In den Folgejahren bis heute kommt es immer wieder dazu, dass der türkische Staat gewählte HDP-Bürgermeister:innen absetzt und durch Zwangsverwalter ersetzt.
Über all dies erfahren wir in den deutschen Medien oder durch die Politik so gut wie nichts. Dagegen ist die Aufmerksamkeit für die Repression in jenen Staaten gegen die die EU, die BRD und/oder die NATO ihre aktuelle Politik richten, um einiges größer.
Daher ist es unsere Aufgabe, die wir hier die Perspektive einer Gesellschaft, einer Welt ohne Armut, Ausbeutung, Zerstörung unserer Umwelt, Rassismus, Feminizide und Krieg teilen, für die Freiheit unserer Freund:innen, Kolleg:innen und Genoss:innen einzustehen, die Aufmerksamkeit auf sie und ihre und unsere Kämpfe zu lenken.
In diesem Sinne:
Weg mit der Isolation! Freiheit für Abdullah Öcalan!
Freiheit für alle politischen Gefangenen!
Für eine Welt ohne Grenzen und Klassen,
ohne Ausbeutung und Unterdrückung!