Demobericht zum Internationalen Feministischen Kampftag in Braunschweig

Smash the backlash / Kein Schritt zurück!

Zum 8. März, dem Internationalen Frauentag / Internationalen Feministischen Kampftag, gab es dieses Jahr in Braunschweig gleich zwei Veranstaltungen:

Am Samstag, den 6. März, veranstaltete
das Feministische Bündnis Braunschweig unter dem Motto „smash the backlash“ eine Demonstration durch die Innenstadt, während am Montag, den 8. März, das 8. März-Bündnis der
Stadt Braunschweig um 17 Uhr eine Kundgebung mit dem Motto „Keinen Schritt zurück!“ auf dem Schlossplatz durchführte.

Trotz der unterschiedlichen Ansätze und Inhalte der beiden Bündnisse zeigten die Mottos eine Übereinstimmung: Die Kampfansage gegen den Backlash (deutsch: Gegenreaktion, Rückschlag), gegen das Zurückfallen hinter das, was der Feminismus bisher erreicht hat. In Zeiten einer weltweiten Krise, nicht unbedingt ausgelöst aber verstärkt durch die Covid-19-Pandemie, die an vielen Orten zum Erstarken reaktionärer und faschistischer Kräfte geführt hat, geht es leider nicht nur um Verbesserungen und Fortschritt, sondern auch erstmal um die Verteidigung unserer Errungenschaften gegen die Trumps, Erdogans, Bolsonaros und Gaulands dieser Welt.

Die Demo des Feministischen Bündnisses Braunschweig begann um 14 Uhr auf dem Kohlmarkt für FLINT* (Frauen, Lesben, Intergeschlechtliche und Trans*ident- dieses Akronym soll unterschiedliche vom Patriarchat unterdrückte Personengruppen sichtbar machen). Bereits in der
Auftaktrede wurden viele aktuelle Missstände angesprochen, von dem Umgang mit der Corona- Krise und Pflege- und Sorgearbeit, über Queerfeindlichkeit und Verbot von
Schwangerschaftsabrüchen zu Transfeindlichkeit in den Medien. Die Demo startete dann mit rund 350 FLINT*-Personen und Parolen wie „Küche, Ehe, Vaterland – unsere Antwort Widerstand!“ mit Bezug auf das Frauenbild von AfD & Co., oder „however I dress, wherever I go – yes means yes and no means no“ (Deutsch: egal wie ich mich anziehe oder wo ich hingehe – ja heißt ja und nein heißt nein“) gegen den immer noch vorherrschenden Mythos, Opfer von sexualisierter Gewalt
wären in irgendeiner Art selber Schuld an dem, was ihnen passiert.

Am Hagenmarkt hatten sich rund 100 Unterstützer*innen versammelt, die sich nicht als FLINT* verstehen und deshalb erst später zur Demo dazustießen. Mit dieser Aufteilung der Demonstration wollen wir uns als FLINT*-Personen unseren eigenen öffentlichen Raum nehmen. Hier fand auch eine Zwischenkundgebung statt, in der eine Vertreterin der Grünen Jugend darüber berichtete, wie Sexismus sie in ihrem Alltag, sei es Schule oder Feiern, einschränkt. Außerdem  wurde von dem Verein frauen-BUNT über die Diskriminierung von Migrantinnen im Arbeitsleben berichtet. Eine Vertreterin der Freund*innen der kurdischen Freiheitsbewegung verlas Grußworte
der kurdischen Frauenbewegung, erinnerte uns daran, welchen Kampf diese Frauen jeden Tag gegen die Mörder und Vergewaltiger des IS und des Erdogan-Regimes führen, und forderte dazu auf, die Petition der 100 Reasons -Kampagne zu unterzeichnen. Diese Kampagne sammelt 100 Gründe in Form von 100 Feminiziden [1], um den Diktator Recep Tayyip
Erdogan (Präsident der Türkei) vor dem internationalen Gerichtshof zur Rechenschaft zu ziehen. Der Redebeitrag von in/progress verband inhaltlich den Kampf gegen Patriarchat und Kapitalismus. Die Demonstration zog mit Rufen gegen Macker und Sexisten und für gleiche Bezahlung von Lohnarbeit weiter bis zum Schlossplatz. Der „equal pay day“ [2] fiel diese Jahr übrigens auf den 10.März und somit sieben Tage früher als letztes Jahr. Vielleicht findet er ja nächstes Jahr sogar vor
dem 8. März statt. Trotzdem liegt hier noch ein weiter Weg bis zur Lohngleichheit vor uns, vor allem wenn man bedenkt, dass migrantische Frauen nochmal deutlich weniger verdienen.
Am Schlossplatz angekommen, zeigt uns die FrauenLesbenGruppe Zami in ihrem Redebeitrag, wie
viele große und kleine Erfolge die feministische Bewegung in den letzten Jahren trotz des schon erwähnten backlashs erreichen konnte, und im anschließenden Beitrag der Kampagne „Women Defend Rojava“ das 21. Jahrhundert als Jahrhundert der Frauenrevolution ausgerufen.

Zum Abschluss haben wir gemeinsam den Tanz „un violador en tu camino“ (deutsch: Ein Vergewaltiger in deinem Weg) getanzt. Dieser Tanz wurde vom dem feministischen Kollektiv Las Tesis aus Chile entwickelt und zum ersten mal am 25.11.2019, dem internationalen Tag zur Beseitigung von Gewalt gegen Frauen, aufgeführt. Seitdem hat sich der Tanz, welcher Staat, Gerichte, Polizei und Politik für Vergewaltigungskultur und Femizide zur Verantwortung zieht, über die ganze Welt verbreitet.

[1] Femizide bezeichnen den Mord an Frauen aufgrund ihres Geschlechts, z.B. Morde an Frauen
durch ihren Partner oder Angehörige oder auch die Tötung von weiblichen Säuglingen. Der Begriff
Feminizid ist eine Weiterentwicklung aus Lateinamerika, der die strukturelle Dimension dieser
Morde hervorheben soll und die staatliche Mitverantwortung aufzeigt. Dies können z.B.
Kriegsmassaker sein, aber auch das Nichtverfolgen von Verbrechen an Frauen, wie z.B. das
massenhafte Verschwinden von Frauen in Nordmexiko.

[2] Der Equal Pay Day (deutsch etwa: Tag der gleichen Bezahlung) soll die unterschiedliche
Entlohnung von Männern und Frauen sichtbar machen und bezeichnet den Tag, bis zu dem Frauen
in Deutschland durchschnittlich noch umsonst arbeiten, während Männer seit dem 1. Januar beazhlt
werden, oder andersrum: Der Tag, bis zu dem Frauen durchschnittlich noch weiterarbeiten müssen,
um genauso viel verdient zu haben wie Männer im vergangenen Jahr.