Für eine in der BRD nicht verbotene Organsiation aktiv zu sein, wird schwerer bestraft als zehnfache Beihilfe zum Mord!

Ganz im Sinne von Recep Tayip Erdogan dürfte das Urteil des Münchner Oberlandesgerichts sein, dass nach über vier Jahren Verhandlungsdauer 10 Genoss*innen der in der BRD nicht verbotenen Türkiye Komünist Partisi/Marksist-Leninist (Kommunistische Partei der Türkei/Marxistisch-Leninistisch) zu mehrere Jahren Gefängnis verurteilte. Ihnen wurde nicht vorgeworfen, in der BRD strafbare Handlungen begangen zu haben. Ihnen wurde vorgerworfen, für eine in der faschistischen Türkei als „terroristisch“ diffamierte Organisation tätig zu sein.

Unter den Angeklagten befindet sich u.a. Müslüm Elma, der bereits in der Türkei über 22 Jahre inhaftiert war und zahlreichen Mißhandlungen und Folterungen ausgesetzt war und sich dem nur durch politisches Asyl in der BRD, vorläufig, entziehen konnte.

Proteste vor dem Oberlandesgericht in München

Möglich macht dies der Paragraph 129(b) des Strafgesetzbuches (StGB), der ausdrücklich gegen migrantische Organisationen geschaffen wurde, damit hier immer noch Menschen kriminalisiert werden können,obwohl sie sich hier nach geltenden Gesetzen nicht strafbar gemacht haben- ihr Tun aber den jeweiligen Machthabern in den Herkunftsländern aber ein Dorn im Auge ist und die BRD mit eben diesen Machthabern gemeinsame Interessen pflegt wie z.B. im Rahmen der NATO, bei Rüstungsexporten oder anderen Geschäften.

Da es also in der BRD keinen konkreten Tatvorwurf gibt, die TKP/ML hierzulande nicht verboten ist, stützte sich die Anklage dann auch erheblich auf Dokumente von türkischer Polizei und Geheimdienst (MIT). Es ist allgemein bekannt, wie schnell in der Türkei Vorwände erfunden, konstruiert und schlicht herbeigelogen werden, um Journalist*innen, aktive Frauen, Menschenrechtler*innen, Umweltaktivist*innen, Bloger*innen, Anwält*innen und andere Oppositionelle in der Türkei zu verfolgen, einzusperren, zu foltern oder auch zu ermorden.

Der Prozess zeigt einmal mehr, wie weit Erdogans Einfluss reicht. Er zeigte auch, dass die deutsche Justiz politische Urteile fällt und hierzu nicht wirklich gedrängt werden muss, sondern in der Verurteilung oppositioneller Bewegungen im In- wie aus dem Ausland nicht zimperlich ist. Beschämend ist einmal mehr, wie willfährig große Teile der deutschen Medienlandschaft diesen ganzen Vorgang zwar erwähnen aber diese offenkundige und nachhaltige Demontage des „Rechtsstaats“ maximal mit einem Achselzucken kommentieren.

Besonders bemerkenswert ist die folgende Gegenüberstellung, die nicht nur dieses Urteil, sondern generell die von großen Teilen dieser Gesellschaft unhinterfragten Verhältnisse in diesem Land exemplarisch skizziert:

Zehn Menschen werden nun also wegen „Beweisen“ der Polizei eines faschistischen Staates zu Gefängnisstrafen zwischen 2 Jahren und 9 Monaten und 6 Jahren und 6 Monaten von den Gerichten eines anderen Landes verurteilt nach deren Recht sie eigentlich nichts strafbares getan haben. Gleichzeitig wird in genau diesem Land ein Helfer der faschistischen Mördertruppe „Nationalsozialistischer Untergrund“ (NSU) für die nachgewiesene Beihilfe zu zehnfachem Mord an Migrant*innen zu 2,5 Jahren Haft verurteilt.

Unsere Solidarität gilt den verurteilten Genoss*innen!

Intensivieren wir unsere Solidarität, wenn das Verfahren in die Revision geht!

Freiheit für alle politischen Gefangenen!

Gemeinsam gegen den faschistischen Terror und die Klassenjustiz- in der Türkei, hier und in der Welt!

Im folgenden dokumentieren wir hier die Erklärung der Solidaritätsstruktur zu den Urteilen:

„Der 7. Strafsenat des OLG München hat unter Vorsitz von Dr. Manfred Dauster zehn Aktivist*innen wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung im Ausland zu Freiheitsstrafen zwischen 2 Jahren und 9 Monaten und 6 Jahren und 6 Monaten verurteilt. Der Angeklagte Müslüm Elma wurde auch wegen des Vorwurfs der Rädelsführerschaft in der TKP/ML verurteilt. Nach mehr als 5 Jahren Untersuchungshaft wurde der Haftbefehl gegen ihn heute durch das OLG München aufgehoben.

Damit endet heute vorläufig eines der längsten politischen Verfahren in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland. Dieser absurde Mammutprozess dauerte mehr als 4 Jahre und nahm 234 Hauptverhandlungstage in Anspruch.

Es ist das erste in Deutschland wegen Mitgliedschaft in der Kommunistischen Partei der Türkei/Marxisten Leninisten (TKP/ML) geführte Gerichtsverfahren. Es ist zugleich das erste, in dem Angeklagte wegen der Mitgliedschaft in einer „ausländischen terroristischen“ Organisation nach § 129b StGB verurteilt wurden, die auf keiner internationalen Terrorliste steht, die in Deutschland nicht nach dem Vereinsgesetz verboten ist und deren Mitglieder häufig einen Flüchtlingsstatus in Deutschland erhalten haben. Lediglich die Türkei stuft die Organisation bisher als terroristisch ein.

Die Verteidigung hat im Laufe des Verfahrens mehrfach betont, dass das Verfahren nicht legitim ist und seine Einstellung gefordert. Während in der Türkei die AKP und Erdogan ein diktatorisches Unrechtsregime errichten und den Großteil der Opposition wegen „Terrorverdachts“ verfolgt, macht sich  der deutsche Staat mit diesem Verfahren zum politischen Erfüllungsgehilfen, wenn er hier ebenfalls türkische Oppositionelle strafrechtlich verfolgt. Denn der Einleitung dieses Strafverfahrens liegt eine außenpolitische Entscheidung, die Erteilung der sogenannten Verfolgungsermächtigung durch das Bundesjustizministerium, zugrunde: Ob eine Strafverfolgung durchgeführt wird, ist also eine politische und keine juristische Entscheidung.

Keinem der Angeklagten wurde die Beteiligung an einer konkreten Straftat – insbesondere keine Gewalthandlung – in Deutschland vorgeworfen. Kriminalisiert wurde allein die vermeintliche Mitgliedschaft in der Organisation TKP/ML.

Das Gericht hat während des Verfahrens auch zugestanden, dass das Verfahren auch im Interesse der Türkei geführt wird und an dem diktatorischen Charakter des Erdogan-Regimes keinen Zweifel gelassen. Auch das Gutachten des seitens des Gerichts geladenen Sachverständigen kam zu dem Ergebnis, die eigentliche Bedrohung für die Demokratie und Rechtsstaatlichkeit in der Türkei gehe von der AKP und Erdogan selber, aber nicht von der TKP/ML aus. Dennoch erfolgten Verurteilungen zu hohen Haftstrafen.

Das Urteil ist Ausdruck politischer Justiz. Verurteilt worden ist nicht kriminelles Unrecht, sondern eine politische Haltung und Gesinnung. Es zeigt einmal mehr, wie problematisch § 129b StGB selbst, aber auch die Erteilung von Verfolgungsermächtigungen die dazu führen, dass die hiesige Justiz Widerstand gegen das Erdogan-Regime kriminalisiert und dieses damit unterstützt, sind.

Die Verteidigung wird gegen das Urteil Revision einlegen.“